„– Ich bin gern in dir geboren, kleine, aber gute lichte Stadt! –“

JEAN PAUL
* 21. März 1763 in Wunsiedel † 14. November 1825 in Bayreuth

Ich kehre endlich zu dem Helden und Gegenstande unserer historischen Vorlesungen zurück und hebe besonders den Umstand heraus, daß ich in Wonsiedel (unrichtiger Wunsiedel),
einer Stadt am Fichtelgebirge, geboren bin. [. . . ] Ich bin gern in dir geboren, Städtchen am langen hohen Gebirge, dessen Gipfel wie Adlerhäupter zu uns niedersehen! – Deinen Bergthron hast du verschönert durch die
Thronstufen zu ihm; und deine Heilquelle gibt die Kraft – nicht dir, sondern dem Kranken, hinaufzusteigen zum Thronhimmel über sich und zum Beherrschen der weiten Dörfer- und Länderebene.
– Ich bin gern in dir geboren, kleine, aber gute lichte Stadt! –
Selberlebensbeschreibung (geschrieben 14. 07.1818 bis 22. 01.1819)

WUN 4

„Mit wie vielen kleinen Mitteln muss sich der Mensch abgeben, ehe er mit etwas Großem sich beschäftigen kann.“

VORREDE

Ich glaube mit drei Worten ist sie gemacht, so wie der Fichtelgebirgs-Granit aus ebenso vielen Mineralien.
Das erste Wort ist über Jean Paul zu sagen. Dereinst gehörte der Autor nebst ihn umgebender Region zu den anerkanntesten Europas; bis beides vor dem gejagten Auge der Welt zerrann. Als beiläufig ich, aus Neugier, Jean Paulsche Werke einsah, studierte ich mit immer größerer Exaltation und nicht ohne Verehrung alles Gedruckte dieses Romanciers. Ergründet er doch den Lesern beharrlich seine/meine Heimat, das Fichtelgebirge, nicht ohne Seitenhiebe auf die Bewohner desselben. Tatsächlich scheint mir die Herz- und Lebhaftigkeit dieser Schilderungen einzig dazu bestimmt, Gerüchte über diese Region und ihre Einwohner durch Fakten zu bewähren. Ob dies auf Kritik, Verständnis vielleicht Liebe stößt, darüber lass ich mein Urteil schweben.


Das zweite Wort soll über die kulinarische Zergliederung „en hasard“ der Werke dieses begnadeten Romanciers zu meinem eigenen Zwecke sein. Es ist aus kulinarischen Gründen erweislich, daß es in seinem Werk nur so von Essen wimmelt; – daß ich als Köchin nur noch alle Rezepte aus damaligen Quellen finden und liefern musste – und daß die Köstlichkeiten nicht besser präsentiert werden durften, als häppchenweise mit der
angehefteten Jean Paulschen Story; die immer einen Seitenblick wert ist. Nun ich schäme mich nicht, geneigte Leserschaft Ihnen Jean Paul ganz banal durch den Magen näher zu bringen. Ich fand Erstaunlicheres und kann jetzo Gerichte liefern. Gerichte, die unter seiner Feder nicht nur bloßes Essen beschreiben, sondern fein und grob geschliffene Figuren zeichnen, Gerichte denen er metaphorische Bedeutung zugemessen hat. Ich präsentiere es so, wie wohl auch der Dichter am Besten genossen werden sollte: häppchenweise. Indes entfielen mir beim Finden der vielen Gerichte des Öfteren die genauen Zitierangaben. Der geneigte und gebildete Leser betrachte dies höflichst als künstlerische Freiheit und niemand werfe darob einen Stein.
Wir sollten uns am Essen ergötzen und dem großen Romancier einen Logenplatz, wenigstens in unseren Mägen geben.


Das dritte Wort hat lediglich noch zu sagen, dass nach reichlicher Forschung alle Rezepte nur eine unschuldige Momentaufnahme von Gerichten die Jean Paul erwähnt vorstellen und bis auf wenige Ausnahmen nicht Auskünfte darüber geben, was der Meister gerne gegessen hat. Dabei wird das as Vorurteil geschwächt, dass Jean Paul außer Bierseeligkeit, Sauerkraut und Kartoffeln nichts kannte. Vollständigkeit ist in keinster Weise zu erreichen, ebenso eine originalgetreue Nachgestellung -das würde beileibe Zeitpotenzial und Cholesterinspiegel unserer Generation überfordern; auch möchte ich nicht anmaßend wie ein Gastrokritiker sein und jedem diktieren wie er zu kochen hat. Größe und Präsentation der Gerichte seien jedem selbst überlassen. Alleine der Augen und des Gaumenlust soll durch die vielen speziellen Bilder und Rezepte erheischt werden und ungesäumt zum Nachkochen anregen. Womöglich entdeckt ja die Leserschaft- bei dem Feuersturm der Gerichte, den großen unterirdischen Schatz den ich zu heben mich erdreistet mit ganz neuen Augen; dadurch könnten letztendlich das Fichtelgebirge und der Kopf den es dereinst ernährte und behauste, durch den Magen ins Zentrum zumindest Europas rücken!

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© Beate Roth, 2023