„Die Verdauung nimt ihren Anfang im Munde, der Speichel, welcher mehr nach mechanischen Bewegungen, als nach einem blossen Reize zufliest,
löset die Speisen auf und erleichtert ihren Weg nach dem Magen. Es ist daher die Verschwendung dieses Safts höchst nachtheilig.“

Jean Paul: Exzerpte herausgegeben von Christian Müller-Clausnitzer, Sabine Straub, Monika Vince und Michael Will

Sämtliche Rezepte erscheinen im Lese-Kochbuch „Jean Paul häppchenweise“ beim Transit-Verlag/Berlin

Alles was wir heute an Koch- und Esskultur kennen entstand fast ausschließlich zu Jean Pauls Zeiten. Auch die Art Gerichte tellerweise zu servieren, wie wir sie heute kennen, etablierte sich damals. Die einfachen Leute versuchten mit Surrogaten groß aufzutische, das Bürgertum kopierte den Adel und der musste sich um en vogue zu bleiben laufend etwas Neues einfallen lassen. Köche waren ähnlich gefragt wie heute, Kochen war das Lieblingsthema all derer die etwas zu Essen hatten. Wäre das Fernsehen schon erfunden gewesen-Kochsendungen wäre wie heute rund um die Uhr gelaufen. Goethe ließ fast täglich groß auftischen.
Bei Jean Paul wimmelt es im Werk nur so von groben und feinen Speisen. Von Mutters Küche über die gutbürgerliche Küche seiner Frau bis zu den Prunktafeln bei Hofe: er kannte alles.
Nachfolgend einige Rezepte nach Kapitel geordnet aus Jean Pauls Werken.
Die Rezepte in den Kapiteln repräsentieren nur einige der gefundenen Gerichte.
Das 14-gängige Pariser Kartoffel-Gastmahl wird im Hesperus erwähnt. Im Komet werden für das magnetische Gastmahl verschiedenste Gerichte aufgetischt-oder auch nicht. Erdenbrot erscheint in einigen der Romane.
Weitere Fundstellen für die Kapitel:
[. . .] so muß man doch wissen, wen man vor sich hat und was feine Sitten und Sawer di Wiwer (savoir vivre) fordern.«Quintus Fixlein
Der Langweile der Noachischen Suppenflut[. . .] – hab‘ ich die Schreckenspost zu danken. Der Jubelsenior
[. . .] d. h. den Teufelzettel zu einem Süßbriefchen an Joachimen umzumünzen. Hesperus
“ Nie war ich so Stuben-glüklich.“ Erschriebene Unendlichkeit herausgegeben von Helmut Pfotenhauer, Norbert Miller und Markus Bernauer.Lese-Kochbuch „Jean Paul häppchenweise“ beim Transit-Verlag/Berlin

Alle Rezepte sind für etwa 10-20 (je nach Größe) Fingerfood-Teilchen gerechnet. Sie können genauso als normal große Gerichte zubereitet werden.

Vorspeisen-, Suppen-, Hauptspeisen- und Dessertrezepte reichen dann für 4-6 Personen. Die Kuchen- oder Schichtspeisen-Rezepte ergeben einen normal großen Kuchen/Torte

HOPPELPOPPEL

Vult schlug Flegeljahre vor; der Notar sagte offen heraus, wie ihm ein Titel widerstehe, der teils so auffallend
sei, teils so wild. »Gut, so mag denn die Duplizität der Arbeit schon auf dem ersten Blatte bezeichnet werden, wie es auch ein neuerer beliebter Autor tut, etwan: Hoppelpoppel oder das Herz.« Bei diesem Titel mußte es bleiben.

Flegeljahre

375 mlMilch
70 gZucker
Muskatnuss, Salz
2Eigelb
5 clRum, (Rum-Aroma)
6 BlattGelatine
600 mlSahne
1Schokobiskuitboden
125 mlRum
30 gPuderzucker
250 mlOrangensaft
3 BlattGelatine
Schokherzen, Orangen

Eigelb und Zucker mit einer Prise Salz schaumig schlagen. Milch mit geriebener Muskatnuss (nach Geschmack) aufkochen. Die Milch zur Eigelbmischung geben und über einem heißem Wasserbad abrühren, bis die Creme bindet. Eingeweichte Gelatine in die noch warme Eiermasse einrühren. Abkühlen lassen, dabei manchmal umrühren. Mit dem Rum kräftig abschmecken. Die geschlagene Sahne unterheben.

Aus dem Biskuit kleine Kreise ausstechen und in Gläschen legen.

Den Rum mit 2 EL Wasser und dem Puderzucker zum Kochen bringen und die Biskuitböden damit tränken.

Die Creme darauf geben und glatt streichen. Völlig auskühlen lassen.

Die Gelatine im Orangensaft auflösen und ca. 2-3 mm dick auf die erkaltete Creme füllen. Je nach Geschmack können einige getränkte Löffelbiskuits in der Creme versenkt werden und/oder Orangenfilets auf der Creme verteilt werden.

Mit Schoko-Herzen dekorieren.

HoPo-2-1

Schnepfe-1

SCHNEPFENDRECK

Da ich nun meinen Gästen gern Ausgesuchtes vorsetze: so bot ich einigen Leckermäulern darunter Schnepfendreck, wie gewöhnlich mit Butter auf Semmelscheiben geröstet, an, und zwar so wie ihn täglich meine beiden Schnepfen unmittelbar lieferten. Aber ich darf Sie als ehrlicher Mann versichern, meine Gnädige, auch kein einziger bezeigte statt einiger Lust etwas anderes als ordentlichen Abscheu vor dem vorgesetzten Dreck; und weshalb eigentlich? – Bloß deshalb – nun komm‘ ich auf unsern Punkt –, weil das Schnepfengedärm nicht mit auf die Semmelscheiben gestrichen war und die Gourmands nur bloßen Netto- und keinen Bruttodreck vor sich erblickten. Ich bitte aber hier jeden vernünftigen Mann zu urteilen, ob ich meine Sumpfvögel – da sie ganz die Kost erhielten (Regenwürmer, Schnecken und Kräuter), aus der Schnepfen von jeher den Liebhabern wieder eine Kost auf den ersten Wegen zugeführt – ob ich, sag‘ ich, solche etwan abschlachten sollte (wie jener seine Henne, die ihm täglich goldne Eier legte), um gleichsam die Legdärme aufzutischen. –Dr. Katzenbergers Badereise

2Auberginen
1Apfel
40 mlOlivenöl
1 ZweigThymian, gehackt
1 TLOrangenabrieb
1 ELTomatenmark
1 BundEstragon, gehackt
125 gSauerrahm
Balsamico, Pfeffer
1 ELSofort Gelatine
10 ScheibenMehrkorntoast
2 ELButter
getrocknete Apfelringe

Aubergine und Apfel schälen und in 5 mm große Würfel schnneiden. Rosmarin, Thymian und Orangenabrieb zugeben. Im Öl gut anschwitzen. Die Auberginen dürfen ruhig etwas Farbe nehmen. Zuletzt mit Tomatenmark binden. Abkühlen lassen. Kurz vor dem Anrichten den Estragon unterrühren.

Den Sauerrahm mit Balsamico, Cayenne und Sofortgelatine glattrühren.

Anziehen lassen

Toast in der Butter anbräunen und Kreise ausstechen. Abkühlen lassen und mit dem Sauerrahm bestreichen.

.Die Auberginenmasse darauf platzieren und getrockneten Apfelscheiben dekorieren.

Schnepfendreck ist eigentlich ein, vielleicht zu Recht in Vergessenheit geratenes Gericht Gericht aus den Eingeweiden einer Schnepfe (Bekasine) samt gut verdautem Inhalt. Das Ganze wird feingehackt angebraten und verfeinert mit Kräutern auf Weißbrotscheiben serviert.

EIERSCHMALZ

Andern Morgens zur vorgeschriebenen Stunde trat ich in Jean Pauls Zimmer ein. […]Unter dem Ofen stand ein Teller mit einer Eierspeise – ein sogenanntes Rührei oder Eierschmalz – , die wahrscheinlich dort hingestellt war, um warmgehalten zu werden.

Jean Pauls Persönlichkeit in Berichten der Zeitgenossen, Eduard Behrend

150 gSemmeln, altbacken
300 ml gMilch, heiß
1Schalotte, gehackt
1Karotte, fein gewürfelt
Butter
3Eier
3 ELMajoran, gehackt
3 ELPetersilie, gehackt
2Salz, Pfeffer, Muskat
essbare Blüten

Die Semmeln mit der heißen Milch übergießen und 15 Minuten quellen lassen. Schalotten in etwas Butter glasig dünsten. Mit den Karotten und den Kräutern zu den Semmeln geben. Die Eier mit Salz, Pfeffer und Muskatblüte verquirlen. Über die Semmelmasse gießen und verkneten.

Eine flache Form gut ausbuttern. Die Semmelmasse hinein geben.

Bei 160° etwa 30 Minuten goldgelb backen.

Kleine Stücke schneiden und mit Blüten garnieren.

Für die süße Version Zwiebeln, Karotte und Kräuter weglassen. Stattdessen die Semmelmasse mit Butterflöckchen, Zucker und Zimt bestreut backen.

SARDELLENSUPPE MIT HIMMELSBROT

Das große magnetische Gastmahl des Reisemarschalls Worble

Jetzo ließ er eine köstliche Sardellensuppe auftragen und leerte zwei Teller davon mit solchem Wohlbehagen ab, daß die Professoren und die Schulmänner einstimmig versicherten, sie hätten zum ersten Male eine so feine Suppe geschmeckt, als er sie darüber fragte und ihnen die trocknen Suppenteller weggenommen wurden und andere vorgesetzt.

Der Komet oder Nikolaus Marggraf

500 gKartoffeln, mehlig
2Schalotten
40 gButter
150 mlWeißwein
50 mlNoilly Prat (Martini dry)
6-8Sardellen
500 mlBrühe
300 mlSahne
100 gSauerrahm
Pastis, Salz, Pfeffer
40 gButter
1Soßenkuchen

Die Schalotten würfeln und in der Butter anschwitzen. Inzwischen die Ka rtoffeln schälen, würfeln und mit anbraten. Mit Weißwein und Noilly Prat ablöschen, kurz aufkochen. Brühe und Sardellen zugeben. 20 Min. köcheln lassen. (Sardellen sorgen für einen feinen Fischgeschmack.)

Alles feinst pürieren. Sahne und Sauerrahm zugeben.

Mit Pastis, Salz und Pfeffer abschmecken.

Soßenkuchen fein würfeln und in reichlich Butter rösten.

Über die Suppe streuen, mit Sardellen garnieren.

Anmerkung: Brot mit vielen Gewürzen von den Molukken-Inseln hieß Himmelsbrot, da man in diesem fernen Land das Paradies wähnte.

YÜDENKIRSCHEN

Himmel! wie wäre hier ein feiner Humanist (er müßte Kenner sein) ein Mann für uns, der kritisch scharf die verschiedenen Dichtungsarten absonderte und aushöbe, unter welchen unser Dichter hinüber- und herüberlaufend abwechselt; denn bald dichtet er komisch in X: Xantippe war eine arge Hur‘, Die X mal X macht hundert nur (der zweite Reim ist ein guter Stich gegen das päpstliche Recht, das in seiner Definition einer H. weit über Hundert hinausgeht) – bald streift er in M ins Didaktische über, z. B.: Zum Beten ist der Münch verpflicht, Mit Messern stich bei Leibe nicht – bald in T ins Elegische: Vorm Trachen uns bewahre Gott, Die Trage uns aus aller Noth – bald in Y ins Lyrische, z. B.: Des Ygels Haut voll Stachel ist, Nach Yüdenkirschen mich gelüst. –

Leben Fibels

150 gPhysalis
je 100 gKuvertüre schwarz, weiß

Die Kuvertüren im Wasserbad schmelzen. Von den Phyalis die Blätter Blattrispenweise von der Spitze her aufreißen und kopfüber nach unten klappen. Leicht verzwirbeln. Die Frucktkörper abwechselnd in die geschmolzene Kuvertüre tauchen, auf Holzspieße stecken, abtropfen lassen und auskühlen.

Damals war die Judenkirsche (Physalis alkekengi, heute bekannt als Lampionblume) als Zier- und Heilpflanze sehr beliebt. Die aus Amerika eingeführte und heute überall erhältliche Physalis (Physalis angulata) schmeckt jedoch entschieden besser.(Selbstversuch der Verfasserin)

GEBACKNE ROSEN UND HOLUNDERTRAUBEN

[ . . . ] : so ist er wenig verschieden von mir selber, der ich jetzt – wiewohl mir die Bescheidenheit verbieten sollte, es merken zu lassen – der ich jetzt, sag‘ ich, mitten unter der Schöpfung dieses Billetts doch imstande war, daran zu denken, daß, wenn es fertig ist, die gebacknen Rosen und Holundertrauben auch fertig werden, die man für den Verfasser dieses in Butter siedet.

Vorrede zum Quintus Fixlein

50 gMehl
50 gSpeisestärke
10 gBackpulver
1 TLRosenwasser
Frittierfett
Puderzucker
Rosenblüten, Holunderblüten

Mehl, Speisestärke und Backpulver gut verrühren. Rosenwasser und soviel eiskaltes Wasser zugeben, dass ein zähfließender Teig einsteht. Die Rosenblüten und Holunderblüten eintauchen, frittieren und mit Puderzucker bestreut servieren.

ANGEFRESSENE PFEFFERKUCHEN

Aber mit dem Pfefferkuchen wußte sie es in dem Grade, daß sie ihn aß. Ich halt‘ es für schwer, einer Geliebten einen Pfefferkuchen zu schenken, weil man ihn oft kurz vor der Schenkung selber verzehrt. Hatte nicht Wutz die drei Kreuzer für den ersten schon bezahlt? Hatt‘ er nicht das braune Rektangulum schon in der Tasche und war damit schon bis auf eine Stunde vor Auenthal und vor dem Adjudikationtermin gereiset? Ja wurde die süße Votiv-Tafel nicht alle Viertelstunde aus der Tasche gehoben, um zu sehen, ob sie noch viereckig sei? Dies war eben das Unglück; denn bei diesem Beweis durch Augenschein, den er führte, brach er immer wenige und unbedeutende Mandeln aus dem Kuchen; – dergleichen tat er öfters – darauf machte er sich (statt an die Quadratur des Zirkels) an das Problem, den gevierteten Zirkel wieder rein herzustellen, und biß sauber die vier rechten Winkel ab und machte ein Acht-Eck, ein Sechzehn-Eck – denn ein Zirkel ist ein unendliches Viel-Eck – darauf war nach diesen mathematischen Ausarbeitungen das Viel-Eck vor keinem Mädchen mehr zu produzieren – darauf tat Wutz einen Sprung und sagte: »Ach! ich fress‘ ihn selber«, und heraus war der Seufzer und hinein die geometrische Figur. –

Leben des vergnügten Schulmeisterlein Maria Wutz in Auenthal. Eine Art Idylle

150gHonig
je 100 gRohrzucker, Butter
50 gHaselnüsse, gemahlen
350 g Mehl
1/2 TLPfeffer
1-2 ELLebkuchengewürz
1Ei
100 gKirschen, kandiert
100 gMandeln, abgeogen
1Eiweiß
100 gPuderzucker

Honig, Zucker und Butter unter Rühren erhitzen bis alles gelöst ist. Kurz abkühlen lassen. Mehl und Gewürze darüber sieben. Ei zugeben und alles mit dem Knethacken gut vermengen. Einmal kurz durchkneten.

Zwischen zwei Folien etwa ½ cm dick aus rollen und Rechtecke ausschneiden. Mit einem gewellten Ausstecher eine Ecke „abbeißen“ und mit Mandeln und Kirschen belegen, die Ecke aussparen und bei 180 °C etwa 8 Minuten backen. Auskühlen lassen.

Eiweiß leicht aufschlagen, Puderzucker zugeben und zu Zuckerguss verarbeiten.

In einen Plastikbeutel mit fein abgeschnittener Ecke füllen und die Pfefferkuchen damit verzieren. Ecke wiederum aussparen.

KAPUZINERSALAT

Ich kann mir und den Leserinnen das Vergnügen nicht versagen, nur ein schwaches Küchenstück vom zweiten Gange zu entwerfen.

1. In der Mitte stand, wie ein Gartenblumenkorb, eine Panse von Kapuzinersalat – dann stellten sich die vier syllogistischen Figuren oder vier Fakultäten in ihre vier Winkel. – Im ersten Tafelwinkel saß als erste Figur und Fakultät ein Hase, der als Gegenfüßler eines Barfüßers noch seinen natürlichen Pelzstiefel in der Pfanne anbehalten und der, wie Leibgeber richtig anmerkte, aus dem Felde als Widerspiel des Fußvolkes trotz den feindlichen Flinten mit gesunden Beinen in die Schüssel gekommen. –

Blumen-, Frucht- und Dornenstücke oder Ehestand, Tod und Hochzeit des Armenadvokaten F. St. Siebenkäs im Reichsmarktflecken Kuhschnappel

etwa 20Kapuzinerkresseblüten
1 ELWeißwein
1Granatapfel
2 Orangen, filetiert
2 ELHimbeeressig
5 ELOlivenöl
2 TLZucker
80 gSalz, Pfeffer
200 gSchafkäse

Den Granatapfel halbieren. Eine Hälfte mit der Saftpresse ausquetschen, die andere umgekehrt in die Hand nehmen und mit dem Messerrücken solange darauf schlagen, bis alle Kerne außen sind. Das weiße Fleisch entfernen. Aus dem Granatapfelsaft, Essig, Öl, Weißwein, Zucker, Salz und Pfeffer ein Dressing bereiten. Den Schafkäse in kleine Teller zerkrümeln. Die Kresseblüten blattweise zerreißen und über dem Käse verteilen. Ein bis zwei Orangenfilets anlegen. Die Granatapfelkerne darüber streuen und mit dem Dressing beträufeln.

Das Rezept mit Granatäpfeln und Orangen stammt aus einer Rezept-Vorlage der Zeit.